
Als ich heute im Garten war, radelte ein Freund aus meiner Kindheit vorbei.
Mit ihm baute ich einst eine Baumhütte.
Er rief mir nur meinen Namen zu, dann war er mit seiner Frau verschwunden. Ich rannte ihm noch nach, ohne die beiden aufhalten zu können.
Dasselbe passierte mir im Grunde vor Tagen, als ich nach fast zwei Jahren Pause eine ehemalige Mitfahrerin im Bus von der Arbeit wiedersah. Auch hier keine Zeit.
Unlängst telefonierte ich auch zu dritt mit zwei engen Freunden, die ich 7 Wochen nicht mehr gesprochen hatte. Der eine meinte, er wäre lieber für sich, alles wäre ihm zuviel.
“Aber man muss doch gerade in diesen Zeiten mit jemand Vertrautem sprechen – und nicht nur mit dem Ehepartner?!” Das lies er nicht gelten, er brauche gerade jetzt seine Ruhe.
Zu gutem Schluss: Als ich heute wieder der schwarzen Holzbiene an der Sal-Weide nachstellte, trippelte eine 82-jährige Frau vorbei, die im letzten Sommer ihren Mann verloren hatte. Ihr Leben war bis zu seinem Tod nur auf Zweisamkeit ausgerichtet gewesen.
Ihre Tochter und Cousine wimmeln jetzt auch ab, wenn sie mit ihnen reden will. Also macht sie ihre kleinen Spaziergänge, um nicht ganz zu versauern.
Keine Zeit.
Der Mensch wird genügsam. Oder soll ich sagen einsam. Er braucht die anderen nicht mehr in dem Maße wie in früheren Zeiten.
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Das ist so!
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Cocooning (verpuppen‘, ‚sich einspinnen‘) -der Schmetterlingseffekt im persönlichen- wird besonders von Trendforschern als eine Tendenz bezeichnet, sich vermehrt aus der Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit in das häusliche Privatleben zurückzuziehen. Mir fällt dabei seit langem auf, dass viele Menschen, wenn sie sich “draußen” aufhalten, auch etwas essen oder trinken: alles und vor allem: to go! Sie “nuckeln” immer an etwas.
Der Begriff wurde zuerst in den späten 1980er Jahren von der US-amerikanischen Trendforscherin Faith Popcorn verwendet. Daraus ergab sich für die Industrie ein massiver Trend zum “heimeligem” Prduktdesign. Der Einrichtungs- und Möbelhandel boomte. Vielleicht ist Euch auch der Trend zu hoch und massiv mit dicken Schals “eingemummten” Mode aufgefallen. Damit kann man sich öffentlich u n d in sich “verpuppen und einspinnen”.
Für mich sehe ich darin natürlich! :-))) eine Unterstreichung der Tatsache, dass wir geburtliche sind und lebenslang bleiben – insbesondere in „schwierigen“ Zeiten. Deshalb ist das Wohnen so elementar. Das weiß auch Putin: deshalb zerschießt er private Wohnungen: Er will seine Feinde ins nackte-freie bombadieren. Neulich schrieb ein ukrainischer Schriftsteller: “Wir wohnen jetzt im Krieg.” Der Mensch “sehnt” sich selbst im ungheuerlichsten nach einem “Nest” um sich einzuspinnen.
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Das mit den dicken Schals habe ich justament unter meinem Handy liegen :”Näher am Leben .. Mein Fernstudium an …”
Wie die Faust aufs Auge, deine Analyse.😀
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Die einen reden zu viel und verlieren Zeit, die anderen reden zu wenig und gewinnen Zeit. Ich halte mich an deine 10 Minuten Regel. Wenn sich in den 10 Minuten etwas Bedeutendes ergibt, dann schon mal 20 Minuten.
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Ich habe Freude am kurzen Smalltalk.
Ein Freund von mir sagte kürzlich, sein Vater konnte das nie: entweder sachliche Erörterungen oder Philosophie.
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Ja, in der Kürze liegt die Würze.
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😀
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Eine berührende, traurige Kurzgeschichte …
LG vom Lu
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Danke, Lu!
Ja, ich versuchte, der älteren Frau Trost zu spenden.
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✌
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Das ist wohl das Wenigste, was man tun kann.
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😊
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“Bedeutungshof” – das Wort von paulpeterheinz bleibt hängen, aber keineswegs in Bedeutungslosigkeit.
Bei mir schon immer bedeutungsvoll, dieses Ruckeln im Alleinsein…zum Glück bleiben mir einige Lieblingsmenschen im Nahen…
Gruß von Sonja
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Dann hast du ein “vitales” Netz an Freunden.
Das ist ja schon mal was 🙂
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Danke für deinen Text. Obwohl ich mich eigentlich gern unterhalte, geht es mir auch so, dass ich nicht reden mag. So, wie du das schilderst, klingt es nach einer kollektiven Depression, gibt es das überhaupt?
Und neee, Zeitnot ist das in den seltensten Fällen. Bin erleichtert, ich dachte schon, nur ich wäre so komisch. 👍
Morgenkaffeegrüße 😀❄️🌞☕🍪👍
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Kollektive Depressionen gibt es sicherlich.
Manchmal gibt es das Phänomen: “Wasch mich, aber mach mich nicht nass”. D.h. Die lust, sich (wie ein Wasserfall) zu äussern, aber nicht auf der Gegenseite zuhören zu müssen.
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Ja, mit Sicherheit, das gibt es! Aber hältst du das hier in dem Fall für zutreffend? 🤔
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In dem Telefonatsfall ja.
In den anderen zwei Fällen, da weiss ich es nicht.
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Du meinst, dass sich der Typ am Telefon zurückgezogen hat, um euch(?) nicht zuhören zu müssen, aber selbst gerne wasserfallartig geredet hätte? Las sich für mich nicht so.
Oder habt ihr wasserfallartig geredet und er hatte keine Lust darauf? Dann wäre es die Frage, was er von den Inhalten eurer Konversation hält … 🤔
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Er ist primär eher zurückgezogen.
Zuviel Kommunikation ermüdet ihn.
Angesprochen auf Redebedarf meinte er, er würde schon gerne mal ablassen, aber nicht endlose Diskussionen führen.
Sei es wie es sei, “der Kanal” ist ziemlich zu, das muss ich respektieren lernen.
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P.S. Ich mag dein Bild auch!
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Ja, eine Kritzelei in einem kleinen Notizbuch.
Danke, Petra.
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Ja, ich denke auch, es gibt da so viele Erklärungen dazu wie Menschen und deren Situationen. Da kann ich meins noch dazufügen. Ich geh z.Zt. auch wenig aus dem Haus. Wenn ich dann aber draußen bin, treffe ich gerne Nachbarn. Aber machmal wird’s zu viel, weil ich doch etwas erledigen wollte. Vor allem vor der Physiotherapie war das mehrmals der Fall. Dann stimmt “Keine Zeit” auch wortwörtlich, obwohl ich’s dann einfach bedaure.
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Ich habe kaum Termine, vielleicht liegt es daran.
Es gibt auch unterschiedliche Bedürfnisse, etwa mit dem Kindheitsfreund. Der weiß vielleicht garnicht mehr vom Baumhaus, ich dagegen habe diese Zeit ganz fest in meinem Herzen.
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Keine Zeit hat ja wie alles in unserer Sprache einen Bedeutungshof aus ausgesprochen-unausgesprochenem und kann somit vieles mehr bedeuten: kein Lust, kein Interesse, kein Verlangen, kein Bedürfnis, andere Prioritäten u.v.a.m.. Es gibt neben der schönen Freundschaft- und Freundlichkeit auch die Entlastung durch Ignoranz bis hin zum “Kampf” gegen die aufdringliche “Dikatur” der/des Anderen.
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Bedeutungshof 🙂
Was da jeweils im Einzelnen mitschwang, weiß man natürlich nicht.
Der Telefonierende hätte wohl auch gerne den Austausch, aber ohne ihn führen zu müssen. Sozusagen “Wasch mich,
aber mach mich nicht nass.”.
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Die Zeichnung ist aber großartig!
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Danke, Gisela, eine Notizbuchzeichnung 🙂
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Übrigens sind die Notizbuchkritzeleien unendlich wertvoll, weil sie authentisch sind und nicht konstruiert.
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Danke Piri…sie entstehen immer aus dem Bauch…
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Jeder Mensch hat halt eigene Bedürfnisse, auch was Nähe und Gemeinschaft betrifft.
Das solltze man respektieren.
An Zeitnot liegt das nur selten.
Lieben Gruss,
Brigitte
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Das stimmt auch, Brigitte!
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Auch mir fällt es im Moment schwer, die notwendige Zeit in die Wiederbelebung der alten Kontakte aufbringen zu wollen. Warum auch? Es ging doch die letzten 2 Jahre auch ohne diese und sie waren sogar recht stressfrei. Eigentlich brauchen wir uns doch nur, wenn wir uns brauchen.
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So wie die ältere Frau, die jetzt völlig alleine ist.
Sie brauchte vorher niemanden, sie hatte ihren Mann.
Ich selbst suche nicht krampfhaft Kontakte, aber wenn sie sich anbieten, sozusagen wie von selbst, dann hätte ich gerne diesen Kontakt und wenn nur für 10 Minuten.
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Manchmal reichen tatsächlich 10 Minuten. Einfach gesehen werden – wahrgenommen!
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Mir reichen 10 Minuten. Ich brauch keinen Nachmittagsplausch.
Da sind wir uns also einig.
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Nein, ich denke es liegt nicht daran, keine Zeit zu haben sondern die Fähigkeiten zur Kommunikation außerhalb der Zweierbeziehung kann verloren gehen und das sollte man unbedingt vermeiden
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Das ist richtig.
Aber ob das jeweils die Ursache war?
“Ich muß heim zu Mama, ich habe keine Zeit”?!
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Ich finde es unklug, sich nur in eine Zweierbeziehung zurückzuziehen und den Rest der Welt nicht mehr sehen zu wollen. Keine Zeit zu haben, trifft ja den Kern der Sache nicht wirklich
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Wie meinst Du das? 🙂
Verplant? Anderes vor? Gerade jetzt grad nicht?
Mit Dir gerade nicht, aber mit dem Bürchermneister un dem Pfarrer schon?
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