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Wo ist die Lupe?

Christianes neuer Etüdenaufruf verlockt mich erneut.
Mein max. 300 Worte umfassender Text soll die Worte
Zeitlupe
behäbig
verprassen
enthalten.

Die Worte stammen von Werner Kastens mit seinem Blog Mit Worten Gedanken horten

*

Insekten erleben uns als sich in Zeitlupe bewegend. Recht behäbig wirken wir, kaum der Rede wert.
Sind wir 60 cm weg, fliegen sie schon auf. Da sind Hornissen schneller unterwegs, aber in der Regel finden diese auch nur dann Opfer, wenn diese sehr, sehr unachtsam sind.

Manche sagen sich wohl, ich verprasse meine Zeit, wenn ich am Efeu stehen bleibe und nach seltenen Exemplaren suche. Da fahren schon mal 10 Autos auf einer wenig befahrenen Strecke vorbei., während ich da immer noch stehe.

Der Besitzer des Efeus wunderte sich auch über mein Dastehen. “Naja, jeder hat so seine Interessen!”, meinte er. Es schien mir, daß er erst jetzt das Getummel auf seinem Efeu bemerkte. Aber eigentlich müsste es ihn interessieren, denn schliesslich ist er Imker!
Ihn interessiert aber nur der Honig! “Keine Ahnung, wo die sich rumtreiben, die Bienen!”, meinte er kürzlich.

Das alles bringt mich zur Frage:

Was ist schön? Was erleben wir als schön?

Wenn wir zu etwas Beziehung haben.
Ein Schachfreund umfasste einst sacht ein Figurenbündel. Die Konstellation dieser wenigen Figuren auf dem grösseren Brett wirkte für ihn wie ein Gedicht. In der Tat sind manche Anordnungen dort von feiner Noblesse, von Wirkungsprinzipien durchdrungen, die Asche von Gedanken, könnte man sagen.

Insekten sind für viele miese Krabbler. Das kann ich verstehen, durchaus. Lieber weggucken!

Andere sehen im Verlauf eines Abgangs an einer Sanddüne physikalisches Wirken in reiner Form. Oder im schnöden Wasser einer Flasche die Wirkung einer Linse.

Wenn Dinge zu uns sprechen, lieben wir sie.
Auch wenn das jetzt zu kurz gedacht sein kann.



Nichts verpassen

Christianes neuer Etüdenaufruf verlockt mich erneut.
Mein max. 300 Worte umfassender Text soll die Worte
Zeitlupe
behäbig
verprassen
enthalten.

Die Worte stammen von Werner Kastens mit seinem Blog Mit Worten Gedanken horten

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Er lebte nicht in Zeitlupe. Nein, ganz im Gegenteil. Behäbig waren andere, er war auf maximalen und ständig wechselnden Inhalt seines Lebens aus.

Er hastete von Geschäftstermin zu Geschäftstermin, alles im Sauseschritt. Keine Party lies er aus, er war darauf bedacht, dort wenigstens kurz zu erscheinen und seinen Freunden dort auf die Schulter zu klopfen.
Eigentlich war er überall und nirgends zu finden.
Schlaf war ihm lästig, der raubte ihm nur Zeit.

Er verprasste seine Gesundheit, das war ihm wohl klar. Aber bisher ging ja alles gut. Er versuchte sogar, noch einen Zahn zuzulegen. Wieso auch nicht?!

Mitten im Geschehen war plötzlich die Leinwand schwarz. Was war dem Kinohelden, dessen Treiben man aus dem Kinossessel gerade atemlos verfolgt hatte, geschehen?
Die Auflösung kam sogleich: Man trug ihn im Sarg hinaus.
Das war das Ende eines Films mit Jean-Paul Belmondo.



Einkaufvergnügen

Christianes neuer Etüdenaufruf verlockt mich wieder.
Mein max. 300 Worte umfassender Text soll die Worte
Regentonne
sensibel
schwanken.
enthalten.

*

Meine Regentonne wäre gefüllt, so hat es heute Morgen geschüttet. Aber sie ist eh schon voll.

Ich fahre zum Discounter und merke, daß der Parkplatz voll ist. Ich schwanke, ob ich reingehen soll.

Aber ich brauche einige wenige Sachen, also bleibt mir nichts anderes übrig. “Sei nicht so sensibel!”, sage ich zu mir.

Drinnen ist es voll, es wird viel geredet, man kommt kaum durch.

Ich stehe bald an der ersten Kasse an. Eine Frau schiebt sich vorbei, weil sie meint, an eine andere, bessere Reihe zu kommen. Doch die zweite ist so lang wie die erste. Also kehrt sie zurück und stellt sich hinter mir an.

Ein Mann rempelt sie an, als er zur plötzlich aufmachenden 3. Kasse vor will.

Die Frau spricht mich an, weil ich Blickkontakt anbot. Alle seien so ruppig geworden, dabei würden wir wir doch im gleichen Boot stecken!
Ja, zu den Anfangszeiten der Pandemie glaubte man an Solidarität und Miteinander, meinte ich. Der Lack sei aber ab.

Ich komme aus dem Parkplatz dann nicht raus. Als Linksabbieger sehr sehr schlechte Karten. Immerhin kann ich die Frau an mir vorbeifahren sehen. Und irgendwann dann kann ich auch raus.



Im Lauf der Zeit

Christianes neuer Etüdenaufruf verlockt mich wieder.
Mein max. 300 Worte umfassender Text soll die Worte
Regentonne
sensibel
schwanken.
enthalten.

Ein wehmütiges Thema habe ich heute.

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Einige Bekannte und Freunde von mir sind aus freien Stücken gegangen.
Das hat – zuletzt – vermehrt Eingang in meine Gedanken gefunden. Vielleicht bin ich alt.

Da war der einstige Klassenkamerad, dem ich mal unversehens von Terasse zu Terasse zuwinkte, über eine Strecke von vielleicht 300 m. Reinster Zufall und Magie war das damals!
Ich hörte Jahre später, daß er nicht mehr unter uns weilte.

Er war nur einer in einer Reihe.

Eine Frau (die sich aktuell in bester Gesundheit befindet), erzählte mir einst von einem Weg. Den sei sie des öfteren gegangen, wenn es zuhause schwer wurde. Diese Praxis half ihr offenbar, ihre sonst wohl eine Regentonne füllenden Tränen loszuwerden.

Sind es sensible Menschen, die die Leine ziehen oder schlicht Leute, die unvermittelt einer ganzen Reihe von praktischen Problemen gegenüber stehen?

Beim Gedanken an diese Bekannten schwanke ich manchmal fast. Ich kann das Ganze kaum fassen.