Grund spüren

Dies ist ein Artikel zu Christianes neuer Einladung zum Schreiben.
Drei Worte müssen in einem Text mit max. 300 Worten verwendet werden.

Abendbrot
heimatlos
auszeichnen.

Die Worte sind von Heide mit ihrem Blog “Puzzle“.

*

Heinz fühlte sich nicht wohl. Wie sollte er seinen Zustand beschreiben? “Nicht geerdet. Heimatlos. Ohne rechten Halt, schwimmend. Keinen Antrieb spürend…”.

Seine Bekannte Trude riet ihm einen ihr bekannten Therapeuten aufzusuchen. Da bekam er einen Ersttermin in 5 Wochen.

Hoffnung baute sich auf. Der Therapeut sollte sich ja auszeichnen. Das hatte er läuten hören.

Das Vorstellungsgespräch dauerte nur kurz. Er bekam einen Termin 3 Wochen später, sozusagen dann die allererste Stunde.

Derweil war viel passiert. Im Büro schickt man ihn einmal nachhause, so schläfrig war er. Sein Chef hatte die Schnauze voll!

Nun war also die erste Stunde. Hoffnungsgeladen betrat er das Zimmer. Und verlies es alsbald, hatte gerade seine äussere Situation etwas schildern können. Das Abendbrot zuhause schmeckte ihm nicht.

Die nächsten 45 Minuten Konsultation waren eine Woche später. Man beschnupperte sich da immer noch. Heinz schwor sich, eisern dranzubleiben. Er hatte gehörige Frustrationstoleranz, obwohl er im Büro weiterhin keinen leichten Stand hatte. Eine zusätzliche Aufgabe konnte er dort nicht übernehmen, zuviel Angst hatte hatte er.

So verging die Zeit. Er brauchte jetzt unbedingt einen Lichtblick. Aber die 14. Stunde brachte wieder nichts. Beim Wegfahren wurde ihm so übel, dass er anhalten und brechen musste. Wie ein Schwall brach es aus ihm heraus.

Die Zeit zog ins Land. Woche um Woche, Monat um Monat, Jahr um Jahr. Es nutzte sich alles ab. Als er wieder mal down war, empfahl ihm der Therapeut, das Zeichnen von Frauenköpfen wieder aufzunehmen. Das hatte er früher so gut gekonnt, schon als kleiner Knirps.

Heinz packte sich einen Zeichenblock und begann zu zeichnen. Wider Erwarten gelang der Kopf formidabel. Das er zu solch einer gelungenen Zeichnung ad hoc fähig war?! Unglaublich!

Am nächsten Morgen war er wie umgewandelt.

Die Dämmerung war gewichen.

19 thoughts on “Grund spüren

  1. Es ist nicht so einfach, eine Gesprächsbasis zu finden, bei der Offenheit und Verstehen aufeinandertreffen. Die Persönlichkeiten sind eben immernoch Menschen. Die beiden scheinen lange gebraucht zu haben, um dorthin zu finden. Aber wenn es denn endlich dazu gekommen ist, dass der Therapeut einen Rat geben konnte, der zu Heinz passte, dann ist es für beide gut.

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    1. Heinz hätte womöglich früher gedacht: “Wozu einen Frauenkopf in meiner misslichen Lage zeichnen ?” Jetzt erlaubte er sich das trotz misslicher Lage. Und er enttäuschte sich im Ergebnis nicht, was auch ein kleines Wunder war.
      Danke Heide !

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  2. Und das ist also ein “ausgezeichneter” Therapeut, der nicht erkennt, dass sein Patient an Minderwertigkeitsgefühlen leidet? Das lasse ich mal so stehen.
    Ich würde vorziehen, wenn du aus dem Verb kein Adjektiv machen würdest, geht das vielleicht noch?
    Nachmittagskaffeegrüße 🌤️🌱🛋️☕🍪

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      1. Ich kenne Gegenbeispiele. Ernsthaft. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass die Chemie stimmen muss. Nicht jede*r ist der*die Richtige für jede*n. Und dann klappt das auch mit der Selbsthilfe.

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  3. Somit fand Heinz offenbar die beste Therapie für sich und vielleicht hätte er sich ja diese vielen Sitzungen beim Therapeuten sogar sparen können. 🤔
    Sehr schön und mitnehmend geschrieben, Gerhard wie das Leben oftmals eben so ist und freue mich nun sehr für Heinz!
    Liebe Grüße, Hanne

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