
Wilhelm hat in seinem Sonntagspost eine Frage gestellt:
Was macht Ihr, wenn euch mal nichts einfällt?
Zunächst fiel mir wenig dazu ein. Auf einem Spaziergang etwas später kam mir plötzlich der Gedanke:
Magere Kreativität ist auch Kreativität.
Was meinte ich damit?
Als ich noch arbeitete, fing ich Freitagabend, obwohl abgeschafft und müde, noch etwas mit Ton an. Ich wollte nicht klein beigeben.
Es gab etwas Wein dazu, Musik – meist Ambient oder Jazz oder “Abgefahrenes” von Harry Lachner.
Ich vertraute dem Ton.
Falls etwas Mittelmässiges herauskäme, dann war das halt so. Notfalls konnte man das Angestrengte noch zu etwas “Gewöhnlichem” verarbeiten, Kugel oder Kopf oder so. Auch diese Notausgänge haben meist etwas Kreatives.
Und so blieb kein Freitagabend ohne Ergebnis.
Wichtig war mir: Tätig zu sein! Kaum einen Tag (oder Abend) liegen zu lassen.
Wenn ich über meine Arbeiten aus wohl 14 Jahren drüberschaue, dann sind einige wenige richtig gut. Und nicht unbedingt jene, an die ich mit grossem Ehrgeiz und Konzentration gegangen bin. Einige sind erst nach Fertigstellung gut geworden!
Soweit das.
Ich bin auch Schachspieler.
Dem jetzigen Weltmeister Carlsen wurde zu Anfang von einzelnen Experten Ideenlosigkeit vorgeworfen. Seine Stellungen, gerade mit Anzugsvorteil angestrebt, schienen schnell zu verflachen.
Aber gerade diese sehr ausgeglichenen Stellungen ohne Biss behandelte er eine Spur besser als seine Konkurrenten. Nach einigen Zügen kristallisierte sich meist ein kleiner nagender Vorteil heraus, immer noch nichts Entscheidendes. Doch diese “kleinsten Vorteile” verdichteten sich meist, bis dann der Vorteil klar und deutlich wurde.
Er schläfert seine Gegner ein, hies es. Anders konnte man sich das nicht erklären.
Doch das war nicht so. Dieses ständige Lavieren war eine Spielweise, die man zuletzt wohl von José Raúl Capablanca y Graupera sah, einem Kubaner, der 1888 geboren wurde.
Tätig zu sein, trotz Nichtgestimmtsein, ist einen Versuch wert.
Ich war auch viele Jahre Aktzeichner. Manchmal einmal pro Woche.
Es kränkte mich nicht, wenn meine Zeichnungen des Abends, meist acht, nicht so waren wie gewünscht.
Manchmal lag es am Modell, manchmal daran, dass ich von den vorigen Malen nichts gelernt hatte. Ich kam ja immer von der Arbeit dort hin, müde, abgeschafft.
Zuhause sah ich dann: Schon wieder der gleiche Fehler!
Demotivieren lies ich mich nie davon. Manch anderer schon, wie mir schien.
Mit der Zeit wurden meine Zeichnungen stabil gut – aber nicht “Kunst” im eigentlichen Sinn.
Was ich wollte, war einzig, meine Hand zu üben. Und das regelmässig.
Gutes Handwerk liefern. Es sozusagen zu können wie Essen und Trinken.
Wie manch anderer bei uns, Künstler zu werden, das strebte ich nicht an! Wozu auch.
Soweit meine Überlegungen dazu.
These are wise words, Gerhard. Just today I had an inspiration while reading about a painter in a newspaper. I had some vague ideas and went home to try them out. But as soon as I began I got stuck, I didn’t like what I saw, it wasn’t on the right track. I made myself keep going instead of stopping. I said, “Move faster, just keep going.” The end result was not great but I was still glad that I kept going. 🙂
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I can roughly imagine what you are describing, Lynn.
A good example.
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Ich töpfere zwar nicht (mehr), aber mir geht es ähnlich… ich muss auch nach der Arbeit noch was tun. Magere Kreativität sind dann vielleicht ein paar eher schnelle Photos, weil die Zeit fehlt, ich aber unbedingt noch mit der Kamera los muss.
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Ja, nach der Arbeit etwas Kreatives tun, danach verlangt die Seele. Den Tag etwas erhöhen noch.
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Ich brauche das auch, um Abstand zu gewinnen und den Kopf frei zu kriegen.
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Hallo, iieber Gerhard. Da hast du uns einen tiefen Einblick in deine Art der Kreativität gewährt. Was mir anfänglich beim Lesen deiner Gedanken als absurd vorkam, wurde am Ende ein klares Bild eines Künstlers, der aus Müdigkeit und Schwäche gewaltige Vorteile gewonnen hat.
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Es gibt sicher viele, die trotz Müdigkeit und Unpässlichkeit trotzdem den künstlerischen Tanz wagen. 🙂
Danke, lieber Peter!
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Was da immer Freitags bei Dir stattfand, beeindruckt mich sehr…und jetzt natürlich auf Freischwimmerart, ins Offene und so…
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Ins Offene gehen, hat was. 🙂
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Ein feiner Gedankengang, den Du da entwickelst.
Und in er Tat agiere ich in vielen Dingen so, auch wenn ich das nie so explizit für mich formuliert habe.
Früher, bei meiner Arbeit beispielsweise – wo ess wie überall, wo man sehr intensiv mit (in dem Fall dementen) Menschen umgeht, vor allem auf drei Dinge ankam:
Verlässlichkeit, langen Atem und Kreatitivität, wenn es darum ging, neue Wege des Umgang zu finden oder neue Strategien in der Pflege zu entwickeln.
Wobei gerade der letzte Punkt der war, der mich immer am meissten gereizt hat, weil dabei gleichzeitig auch Spontanität eine Rolle spielte und die Fähigkeit flexibel auf die aktuelle Situation reagieren zu können,
Wozu natürlich auch solide “handwerkliche” Fähigkeiten und viel Erfahrungen als Basis notwendig sind.
Im Prinzip also ähnlich, wie es der Schachspieler in Deinem Beitrag gemacht hat.
Ganz anders (wenn auch im Grunde irgendwie ähnlich, weil das auch nur funktioniert, wenn man die handwerkliche Basis hat) das, womit ich mich heute als Rentner oft und gerne beschäftige:
Fotomontagen beispielsweise und Webdesign – oder ganz banal: Kochen:
Dabei reizt es mich viel mehr, mir Neues anzueignen und auf spielerische Art Dinge auszuprobieren, ohne (ausser beim Kochen) ein konkretes Ziel zu haben . Daraus entwicklen sich dann wieder neue Ideen, die ich anschliesend weiterverfolgen kann und die zu Ergebnissen führen, die selbst für mich überraschend sind…..
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Eine handwerkliche Basis ist unerlässlich.
Nur der, der sie hat, kann beim Zeichnen oder in der Keramik ausgetretene Pfade verlassen. Neues angehen wollen, das macht auch sicherer, was überhaupt geht und gehen kann. Die Experimentierlaune scheint Dir sehr eigen zu sein :-).
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Es gibt da ein Sprüchlein, das wurde mir im Studium vermittelt: Nur wer die Regeln kennt, kann sie brechen. Die Geduld ist aber nicht jedem gegeben …
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Deswegen ging ja Picasso als sehr junger Künstler durch Perioden klasssicher und dann impressionistischer Kunst.
Danke, Christian.
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Das ist eine Ermutigung zum Einfach-Tun, die wie für mich gemacht scheint. Sehr motivierend, lieber Gerhard, danke!
Es gibt Zeiten der Erschöpfung, in denen es die einzige Chance ist, einfach anzufangen. Gut, dann die Kurve zu kriegen in dem Gedanken, dass die Inspiration mit dem Tun kommt.
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Mir fällt hierzu auch immer eine Bemerkung von Prinz Philipp ein, wie er denn Vierspännerfahren körperlich trainiere: Just by doing it.
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Deine Überlegungen sind höchst interessant und lehrreich.
Ja, es lohnt sich, dran zu bleiben, nicht gleich aufzugeben und auch aus mässiger Motivation Anschub zu holen.
Meisterwerke fallen eben nicht ständig vom Himmel und man muss viel Mittelmass in Kauf nehmen, um auch Hochwertiges zustande zu bringen.
In diesem Sinne wünsche ich dir und uns gutes Schaffen. Krempeln wir – auch im übertragenen Sinn – die Hemdärmel hoch! :–)
Dir eine gute, neue Woche und lieben Gruss,
Brigitte
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Danke Dir Brigitte!
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Ich denke einfach machen ist immer gut. Bei mir kommt dann meist etwas ganz anderes bei raus. Aber ich arbeite dann so lange daran, bis es mir gefällt.
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Transformation ist wohl immer Teil des künstlerischen Prozesses.
Danke Rabirius!
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Genauso mach ich es auch. Mit dem Tun gerät etwas in Bewegung, Einfälle kommen manchmal “nagend” und langsam, aber wenn man dran bleibt, nehmen sie Gestalt an, entwickeln sich …
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Einfälle kommen manchmal “nagend”…ja so ist es. Kreativität hat auch mit Zähigkeit zu tun. Der Glauben, dass es sich fügern werde…
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Genau! So viel Glauben! Sowie ich einen Pinsel, einen Stift in die Hand nehme, fühle ich dieses Vertrauen. Niemals denke ich: das wird nichts. Ich glaube immer, dass es gelingt, auch wenn ich immer wieder vom Ergebnis enttäuscht bin.
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Grundoptimismus…
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