Tagesgedanken XXXIX

“Chess is meaningless”.
Das sagte ausgerechnet einer der besten Grossmeister im Schach.
Recht hat er. Aber was genau meinte er damit?

Wenn Schach “meaningless” ist, dann ist es wohl auch Musik.
Wer braucht Musik zwingend?
Nun, Musik aktiviert, sie tut dem Menschen (meist) gut. Sie kann Emotionen wecken.
Sie bewegt, das kann man auch messen.

Auf Musik will man nicht verzichten, aber man könnte es.

32 thoughts on “Tagesgedanken XXXIX

  1. “Meaningless” im Sinn von un- bzw. a-semantisch, Schach transportiert keine Bedeutung, wie es Worte tun / Sprache tut. In diesem Sinn ist Schach der reinen, d. h. nicht-angewandten Mathematik verwandt. Auf der anderen Seite kann die Tätigkeit des Schachspielens Menschen sehr wohl einen Lebenssinn geben. Das wäre dann, um im Bild zu bleiben, “angewandtes Schach”.

    “Reine”, also nicht-angewandte Musik ist ebenso sinnlos wie Schach – aber niemand hat jemals “reine” Musik gehört. Sie ist stets eingebettet in rituelle bzw. lebensweltliche Kontexte bzw. aus diesen heraus überhaupt erst entstanden. In diesem Sinn ist also auch Musik niemals “meaningless” – sie ist stets Teil und Stützpfeiler einer Lebensform (im Sinne Wittgensteins).

    (Bis hin zu der Extremvariante, dass selbst Vertreter einer “absoluten”, d. h. “reinen” Musik ohne externe Zwecke & Ziele auch nur ihre “avantgardistische” Weltsicht / Lebensform damit unterfüttern. Und wieder fungiert die Musik als Ausdruck einer Lebensform.)

    Wen diese Art von Gedanken interessiert, kann gerne den Artikel Lebensform in meinem Wittgenstein-Glossar studieren.

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    1. Schach ist in der Tat der reinen Mathematik verwandt. Es ist eigentlich kein Spiel, obwohl es als Spiel betrieben wird.
      Eine fundamentale mathematische Frage ist z.b.: Gewinnt rein theoretisch immer Weiß oder ist das Ergebnis ein Remis?

      Das Schachspiel kann einen eigenen Raum anbieten, in dem man sich zurückziehen kann, auch und gerade physisch.

      Das Beispiel “Musik” war von mir etwas willkürlich gewählt. Aber auch, weil ein jeder etwas zu Musik zu sagen weiß.
      Zur Avantgarde: Diese ist wohl nur denen halbwegs zugänglich, die selbst auch “Avantgarde” betreiben. Ansonsten ist man überfordert, weil kein Quäntchen trainiert dafür.
      Das gilt aber auch für manche Künste.

      Danke für Deine Gedanken, hat mich gefreut.
      Den Wittenstein-Begriff werde ich bei Dir nachschlagen.

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  2. Tja. Bedeutungslos? Sinnlos, Meinungslos, völlig Los von allem, eine Niete, kein Erfolgslos? Das meinte der Schachmeister vermutlich nicht. Was ist Musik? Was ist das Wort, was die Mathematik, denn sie alle treffen sich in diesem einen Punkt. Müssen sich fragen lassen, ob sie einen Zweck und eine Bedeutung haben. Über sich selbst hinaus oder für sich.

    Jetzt ist Schach nun einmal ein Spiel. Und Spiele werden oft als weniger sinnhaft erachtet. Aber man schaue den kleinen Menschen an: Ohne zu spielen wird er nicht, wird er nicht groß, nicht ganz, nicht erwachsen, nicht zu einem von denen, die die sinnfreien Worte plärren und meinen, sie seien sinnhaft, weil sie eben von ihm laut geäußert werden, der rechnet, womöglich die höchstzulässige Zahl von Lebewesen außer ihm selbst auf der Erde ausrechnet, der fröhliche Lieder singt, die von Kampf und Streit künden, der…

    Ach, vielleicht ist ja wirklich alles ohne Sinn und Bedeutung.

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  3. Gott schuf den Menschen zu seinem Ebenbild. Der Mensch schuf/schafft die KI zu seinem Ebenbild. So wie der Mensch Gott bereits für tot erklärte, wird auch die KI den Menschen dereinst für tot erklären. Der Sinn liegt einzig im Hier und Jetzt. im Schachspiel. In Chopins Prelude Fis-Dur. Im Kneipenabend. Im Marathonlauf. Im Liebesspiel. You name it.

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    1. Ein wichtiger Punkt!
      Auch meine Insektenfotografie ist ziemlich nutzlos. Sie gewinnt nur Bedeutung, in dem ich meine Funde dem Naturschutzbund melde. Darüber hinaus hat sie wenig Wert. Einige wenige Menschen sehen vielleicht die “Biester” nun mit anderen Augen.

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  4. Nein das Schachspiel ist nicht “meaningsless”, es ist sogar von hoher politischer Bedeutung.
    Naja, wie man’s nimmt. Vielleicht sind unsere Gesellschaftsspiele alle Ausdruck einer verstandesklugen Einstellung:
    Daß man lernt, wie man am trickreichsten und raffiniertesten den “Gegner” “besiegt”, um sich selbst “an die Macht zu bringen”.

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  5. I haven’t played chess since my teenage years and have survived without it. Music on the other hand…very few people could survive without it! There is just such a great variety to listen to! I grew up with music all around me, parents, brother sisters, aunts, piano, organ, choir…but not me, apart from strumming a guitar in the 60’s wanting to be a Beatle or a Rolling Stone! I wonder what your clay man is thinking about?

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    1. What is he thinking?
      I guess he can’t understand the fascination in chess. He thinks it is a waste of time. He also likes music but only “Schlager”. He is in love with Schlager.
      Other music is boring to him. 😉

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  6. Ohne Musik wüsste ich ehrlich gesagt nicht wie ich mich immer wieder kalibrieren sollte.
    Unterschiedlichste Musikstile begleiten mich schon mein Leben lang und Erinnerungen bergen sich auch erstklassig mit der richtigen Musik.
    Sie begleitet mich meist beim Malen, oft beim Schreiben und gerne auch in liebgewordenen ansonsten stillen Momenten allein mit mir. Also ist sie für mich sicher nicht meaningless.

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    1. Musik begleitet mich auch seit Anbeginn an.
      Mein Vater hörte gerne, aber sehr selten, Csárdás-Musik. Er hatte da wohl lebhafte Erinnerungen aus seinen jungen Jahren, vermutlich mit einer Frau.
      Mein Onkel, den ich nicht kennenlernen durfte, war Violonist und Kunstmaler, starb 1943. Er stand heraus im Kreise der Verwandten.
      Mein jüngerer Bruder war musikbegeistert, deshalb widmete ich mich dann auch der Musik, aber nur im Zuhören.
      Ich habe diverse Genres angehört, verfolgt.
      In letzter Zeit ist es etwas ruhiger um das Thema Musik bei mir geworden.

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      1. Wir haben einen blinden Klavierstimmer und wundervollen Trompetenspieler in der Familie. Der jedes Instrument einfach in die Hand nimmt und es ohne Noten spielen kann. Das fasziniert und schüchtert einen gleichzeitig auch schon mal ein. Er würde mir so gerne noch Gitarre spielen beibringen, bevor es gesundheitlich für ihn eventuell nicht mehr möglich sein wird. Aber so gerne ich möchte, es scheint, dafür bin ich eindeutig nicht gemacht. Aktuell versuchen wir meine alten Klavierkünste zu bergen. Es erstaunt mich immer wieder wie gut er mir als Notenleser alles zeigt und erklärt und kleinste Fehler einfach hört. Ein spannendes Projekt. Selbst nochmal ein wenig Musik zu machen, ist nach Jahren des Zuhörens eine tolle Erfahrung. Aktuell sind wir bis Diabelli (vierhändig) vorgedrungen, bin gespannt was er noch aus mir rauskitzelt.

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  7. Beim Schachspielen wird das Gehirn herausgefordert , logisches Denken zu üben, Mustererkennung zu entwickeln, Entscheidungen sowohl visuell als auch analytisch zu treffen und Ihr Gedächtnis zu testen…. Weshalb es alles andere als bedeutungslos ist, Gerhard und auch Musik hat seinen ganz eigenen Reiz sowie entsprechenden Nutzen, je nach eigenem Empfinden denke ich.

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    1. Mustererkennung ist ein wichtiges Stichwort.
      KI soll ja Muster erkennen und man arbeitet daran, so las ich jüngst, daß man über Mustererkennung sogar neue Naturgesetze erkennen bzw. auch mathematisch formulieren könnte.

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  8. meaningless bedeutet hier wohl soviel wie „ohne Nutzen“. Oder doch eher „ohne Bedeutung“? In jedem Fall will es nichts anderes als sich selbst, es strebt nichts „darüber hinaus“ an. Es ist einfach ein Spiel. Immer wollen wir einen Nutzen, eine tiefere Bedeutung finden. Wozu?

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    1. Das ist richtig.
      Schach kann nichts darüber hinaus sein als eben … Schach.
      Schach ist tot, das sagte so mancher bedeutender Spieler des 20. Jahrhunderts. Damit meinten sie: Ausanalysiert – man kann nichts Neues hinzufügen.
      Computerschach sowie noch mehr die KI-Lösung Alphazero bewiesen, daß es noch nicht am Ende ist.
      Aber für die Allgemeinheit ist das völlig bedeutungslos.

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      1. das ist noch ein interessanter Gedanke: etwas ist tot, wenn man nichts Neues mehr hinzufügen kann. Alles ist ausgeschöpft. Das ist die Sorge auch in der Kunst: was noch kommt, sei Plagiat. Oder es sei nicht so gut wie etwas anderes, was es schon gab/gibt. Die Suche nach dem Originellen, Noch-Nie-Dagewesenen treibt die Menschen um.
        Aber wenn ich Schach spiele, freue ich mich trotzdem an meinen kleinen Entdeckungen und Kombinationen, es ist mir egal ob sie „neu“ sind. Für mich sind sie es. Genauso in der Kunst. Oder in der Philosophie. Oder beim Reisen. Ich muss nicht zum Mars fliegen, weil auf der Erde alles schon vermessen ist. Für mich ist es ja neu und unvermessen.

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        1. Gerade in der Kunst hat man doch gelernt, daß die Zeitepoche und die Umstände eines Werks immer mitsprechen, sogar wenn das Werk dasselbe wäre. Es wäre trotzdem neu.

          In der Ausstellung über Gustav Metzler im MMK-Tower Frankfurt gab es 7 Videoleinwände nebeneinander, die bespielt wurden.
          Nichts besonderes denkt man vielleicht – angesichts der vielen solchen Installationen, die es schon in der Kunstwelt gab. Aber Metzlers Werk entstand in den 60ern und es zeigte zufällige Mutationen, die kristallinen Ursprungs waren.
          Es war, wie sich zeigte, tiefer, als man zunächst annahm. Und es machte auch nichts, daß schon Jahrzehnte an Videokunst seitdem produziert worden sind. Das nahm nichts weg.

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      2. mit dem allgemeinen kommt der Mensch nicht weiter
        jedefrau und jedermann kann in Demut ausgefahrene Wege neu beschreiten
        die künstliche Intelligenz sammelt angehäuftes Wissen das in Sekundenschnelle abrufbar ist
        wir sind Seelenwesen die Maschine nicht

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          1. Im Drama der Seele
            hat noch keine Maschine
            nicht mal eine Geige
            eine Flöte
            .je ihren eigenen Stammplatz gefunden
            der Missbrauch mit den Dingen
            beginnt damit, dass der Mensch
            einem Fetisch Gott Ähnliches
            vermutet, anerkannt und verbreitet
            den Dingen
            wenn sie gefährlich werden
            den Schalter ziehen

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