Das mit dem Finger

Dies ist ein Artikel zu Christianes neuer Einladung zum Schreiben.
Drei Worte müssen in einem Text mit max. 300 Worten verwendet werden.

Die Worte sind diesmal:

Geist herb unterstellen

*

Manche haben einen Heidenspaß daran, andere zu enttäuschen. Dabei verstecken sie oft diese ihre Absicht.

Ein Freund von mir half mit beim Umzug eines Kollegen. Als es darum ging, mit jedem Auto einige Sachen von A nach B zu transportieren, fuhr ich hinter ihm her, denn ich kannte den Ort B noch nicht. Plötzlich gab er mächtig Gas, ich konnte nicht folgen, da ich eine Tischglasplatte transportierte. Erst mit einiger Verzögerung war mir klar, daß er mich foppte. Hätte ich ihn später gefragt, hätte er behauptet, nicht gewusst zu haben, daß ich hinter ihm herfahre. Das unterstelle ich einfach.
Wessen Geistes Kindes er ist, zeigte sich, als er von mir – sicher unnötigerweise – Geld geliehen haben wollte. Ich ging nicht darauf ein, weil ich ahnte, daß er die Zurückzahlung zurückhalten würde, um mich zu ärgern. Das wäre dann ein langes und nerviges Tauziehen geworden.

Zwei gute Bekannte äussersten unlängst unabhängig voneinander, grössere Keramiken von mir zu kaufen. Ich dachte mir einen Preis dafür aus, bot einem von ihnen sogar an, die besten Stücke auszusuchen.
Der eine stimmte dem (moderaten) Preis zu, sagte, die Übergabe würden wir nächstes Frühjahr machen. Und der andere rührte sich nicht mehr.
Es war möglicherweise so, daß beide plötzlich merkten, daß sie die Stücke doch nicht wollten. Ich denke aber, sie wollen mich nur zappeln lassen. Aber ich zappele ja nicht, mir ist eigentlich wenig daran gelegen, Dinge von mir zu verkaufen. An mir geht das im Grunde vorbei.

Ein anderer Freund ärgerte einst einen Autofahrer. Als der auf ihn zukam, schloß er Türen und Fenster in seinem Vehikel und grinste ihn hämisch an. Der Typ jedenfalls nahm keine Rache an dessen Auto und trollte sich davon.
Ich könnte noch weiteres erzählen, zum Teil derbe Sachen.
Ich weiß nicht, was Leute manchmal umtreibt. Irgendetwas ist es. Bei dem 1. Fall ist es wohl so, daß er gemerkt hat, wie ich an ihm als Freund hing und er mir deshalb eine reindrücken wollte. Vermutlich eine Wiederholung seiner Kindheitssituation, als er von den Eltern vernachlässigt wurde.


Es geht bei all diesem um Macht, Machtausübung. So etwas ist offenbar thrilling. Für manche jedenfalls.


28 thoughts on “Das mit dem Finger

  1. Sehr verstörend das Verhalten dieser im Text beschriebenen Menschen, die sich in Deinem Umfeld befinden. Jedenfalls für mich. Da bin ich ausnahmsweise mal froh, dass ich offensichtlich nicht ‘jede Sorte’ schräger Leute in meinem Leben kennenlernen durfte. Solche sind mir bisher erspart geblieben. *schnell auf holz klopf*

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  2. Ja, dieses andere ärgern, einfach, weil man es kann, das ist eine sehr verbreitete Art von Machtmissbrauch beziehungsweise “Stärke” oder Coolness zeigen wollen, die in Wahrheit eher schwach und kindisch, aber – oftmals gerade auch unter Menschen, die sich als Freunde bezeichnen (oder auch unter Geschwistern) -, sehr verbreitet ist. Manche finden das lustig, sich gegenseitig zu foppen, was in dem Fall ja dann auch okay ist.
    Manche finden es aber leider gerade auch luuustig, diejenigen zu ärgern, für die so etwas nicht lustig ist. Die sich aber oft nicht trauen, was dagegen zu sagen, weil sie befürchten, dass ihnen dann vorgehalten wird, sie seien humorlos. Oder sie sollten sich nicht “so anstellen”.

    Aber, obwohl ich es oft total nervig und kindisch finde, wenn andere so etwas tun …,, muss ich zugeben, manchmal macht es mir auch Spaß jemand anderes zu foppen, ein wenig zu provozieren.
    Wie das halt so ist mit dem Finger, der immer gern auf andere zeigt … 😉, oder?

    Herzliche Grüße und schönen Abend
    Maren

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  3. “Gefahr erkannt, Gefahr gebannt” ist ein Sprichwort, das mir schon oft geholfen hat. So fühlt man sich nicht mehr an etwas Unangenehmes gebunden, sondern kann sich – aus dieser Erkenntnis heraus – innerlich frei machen.
    Äußerlich laßt sich die bisherige Verbindung nicht immer gleich lösen. Aber sobald man sich innerlich befreit hat, spürt man die Enttäuschung und den Schmerz nicht mehr, sondern steht sozusagen dann auf einer etwas höheren Stufe und hat von da aus einen weiteren und freieren Überblick.
    Man kann dann auch ohne Furcht wieder heruntersteigen, hat nun inzwischen einen Schutz gewonnen.

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  4. ich bin mir nicht sicher, ob alle die von dir beschriebenen Verhaltensweisen in eine Rubrik gehören, so wie es aus deiner Perspektive erscheint. Im ersten Fall würde ich es dem Spieltrieb zuschreiben. Bei anderen dem jeweiligen Umgang mit Geld („man kann nie genug davon haben“, Ängstlichkeit, unerwartete Ausgaben), bei Kunstkäufen gibt es immer welche, die nach erster Begeisterung hinterher schnell wieder rauswollen aus ihrem Versprechen. Das hat nichts mit Macht zu tun, sondern mit Unsicherheit in Urteil und Entschluss. Das, was all diese Vorkommnisse zusammenfasst, ist eigentlich eher deine Unterstellung, dass andere Menschen Macht über dich ausüben wollen. Wenn du psychologisch deuten willst, dann musst du bei dir und deiner Kindheit schauen, ob es da viel Machtmissbrauch gab, so dass du ihn jetzt überall witterst.

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    1. Bei dem einen Kuinstkäufer weiß ich zumindest, daß er gerne foppt. Als ich ihn mal zufällig traf, sagte er in Abständen gleich dreimal: “Soll ich X von Dir grüssen?”. Er wusste ja, daß ich X gerne mal wieder treffen würde. Er traf ihn aber häufiger.

      Machmissbrauch gab es natürlich in meiner Kindheit. Meine arme Mutter war verloren in ihrer Existenz und klammerte sich an mich. Sehr sehr lange. Die anderen zwei Brüder eigneten sich nicht dafür.

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      1. Glücklicherweise ist mir in meinem Leben nur eine solche Person untergekommen, eine Kombination aus primitiv und ausbeuterisch, die ich aus meinem Umfeld schnell wieder entfernt habe. Spieltrieb ist ja eine feine Sache, den habe ich selbst auch zur Genüge, aber was du beschreibst, kommt mir bei Menschen, die über 16 sind doch sehr eigenartig kindisch-brutal vor. Lustig kann ich solche Verhaltensweisen nicht finden. Es wundert mich, dass du solche Leute zwar offensichtlich nicht schätzt sie aber als deine Freunde bezeichnest. Im übrigen schließe ich mich Gerdas Analyse an.

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  5. Ein bisschen Spaß muss sein, hieß es mal in einem Ohrwurm und das sollte es ja auch, Gerhard. Denn Lachen ist gesund und tut so richtig gut.
    Bei dem was jedoch hier zu lesen ist würde ich sagen, dass du mal deine Freundschaften zumindest etwas überdenken solltest und ich hoffe nun, dass es “nur” fiktiver Inhalt zur Schreibeinladung ist. 😉
    Liebe Grüße, Hanne

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  6. Ich bin deiner Meinung, das ist eine Machtgeschichte, wenn man sich auf Kosten von anderen groß fühlen will/muss. Aber wenn das oft (und bewusst) passiert, dann weiß ich nicht, ob ich diese Personen wirklich “Freunde” nennen würde.
    Danke dir für die Etüde!
    Vormittagskaffeegrüße nach Regen ☁️🌧️🌳☕🍪

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