Die folgende Redewendung, die Myriade in ihrer neuen Folge der Impulswerkstatt zitiert hatte, regte mich alsgleich an:

Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
Nun denn: Kann man zuviel vom Leben verlangen? Und was ist ein solches Verlangen im Einzelfall: Ist es neurotisch oder wohlbegründbar?
Man wird ja in dieses eine Leben gestellt und muss bald wieder ab- und austreten. Kein Wunder, daß man dann wenigstens das (kurze) Leben “auskosten” möchte.
Kann man es denn wirklich aus-kosten, kann man satt werden? Ist das Leben wie ein Bankkonto, das man zu steigern versucht? Und ist die angestrebte Höhe eines solchen Kontos dann wirklich befriedigend?
Die Phrase “Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach” transportiert eine Bescheidung.
Im sogenannten Ultimatumspiel muß ein Spieler A dem unbekannten Spieler B ein Angebot machen und zwar einen Prozentsatz des “Kuchens”, den er ihm abgeben will. Lehnt B ab, bekommt keiner etwas. Nun ist die Frage, was A anbieten soll. A kann auch mit 50% scheitern. Soll er stattdessen nur einen Bruchteil des “Kuchens” für sich behalten und dem anderen das Gros des Kuchens anbieten? Da hätte er grössere Chancen oder soll er das Maximale für sich fordern, denn B möchte doch , so nimmt er an, wenigstens einen kleinen Anteil?! Fragen über Fragen!
Manche drängen sich in Diskussionen gerne in den Vordergrund und reden, obwohl sie wenig beitragen können. Wenn sie merken, daß sie sich so diskreditiert haben, gilt der Satz” Hättest Du geschwiegen, wärest Du Philosoph gewesen!”.
Jedenfalls ergreifen nicht immer die Kundigsten das Wort in einer Runde. Vielleicht denken solche, daß es nicht wichtig ist, auf eine gerade diskutierte zweifelhafte Auslegung zu kontern. Also schweigen sie und lassen die Diskussion geschehen. Oder schweigen sie deshalb, weil sie fühlen, daß der diskutierte Sachverhalt überkomplex ist – und auch sie nur einen Brocken beisteuern könnten?!
“Bietet sich eine Möglichkeit, musst Du zugreifen!” Jedenfalls griff ich selbst nicht immer zu. Eher in sehr sehr wenigen Fällen. Ein Beispiel: Bringt ein Gespräch mit einem Prominenten wirklich etwas, denn morgen hat er Dich vergessen, Du wirst nicht eingeprägt. Also wieso “seinen Arm anbieten und sich einhängen”?!
Vor etwa 20 Jahren bin ich in 3 Tagen zig km gefahren, von Fete zu Fete, von Treffen zu Treffen.
Etwa zweimal machte ich so etwas. Es war gut, so etwas kennenzulernen, so etwas mal gemacht zu haben.
Ich kenne das also, muß es aber nicht wiederholen. Zumal jetzt auch wohl nicht mehr die Kräfte dazu reichen.
Torschlusspanik kenne ich nicht. Jedenfalls noch nicht. Das Argument “Was Du heute kannst besorgen, verschiebe nicht auf Morgen” ist so ein Schlager! Und so fahren viele Alte im Stakkato in Urlaub, weil sie argumentieren: “Vielleicht kann ich das nicht mehr in 2, 3 Jahren?!” Also wird gehetzt und schnell gelebt. Es gibt dabei ja auch das Argument: “Das hält Dich jung!”. In der Tat kann das wie eine Droge sein, die einiges an Botenstoffen freisetzt.
Was gibt es noch in diesem Zusammenhang?!
Wer zu hoch strebt, kann auch tief fallen. Sind das die Übervorsichtigen, die dieses Sprichwort gerne zitieren? Ab und an bewahrheitet sich dieses Sprichwort und dann nicken die zurückhaltenden Köpfe im Gleichklang…man hatte es schon immer gewusst!
Genügsamkeit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr. Wer sich nicht rührt, dem gebührt eben ein Platz weiter hinten.
Und schon sind wir hinten angelangt in dieser kleinen Betrachtung! 🙂

Da fällt mir ein schönes Zitat von Erma Bombeck ein “Ergreife die Gelegenheit. Denk an all die Frauen auf der Titanic, die den Dessertwagen weitergewunken haben.”
Auf ein Gespräch mit einem Promi kann ich aber gut verzichten. Man muss nur unterscheiden zwischen Gelegenheiten, die einem wichtig sind bzw. Spaß bringen und solchen, die andere vielleicht beeindruckend finden.
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Da ist viel Richtiges gesagt worden. Aber wer bin ich, dass ich mir anmaße, das festzustellen? 😉
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Ja, wer bist Du? Someone?!
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lieber die Schwebfliege auf dem Foto als die Obstfliege eben dort, wo sie ihr Name verortet? – Ich mag die überlieferten Sprichwörter, da sie auch etwas vom Geist der Zeit transportieren. Und sicher tat es in hungrigen Zeiten auch der Spatz in der Vogelsuppe (das ist keine spanische oder italienische Besonderheit, man hat auch bei uns darauf gewartet, dass einem der Vogel auf den Leim geht, woher sonst das Sprichtwort!), wenn die Taube unerreichbar war. Oder gar eine Zuchttaube aus adeligem Haus war, die den Acker ruhig plündern durfte, ohne dass man sie auch nur vertreiben durfte, was freilich an den festgesetzten Abgaben nichts änderte…
Es war also nicht so sehr willentliche Bescheidung, sondern die schulterzuckende Einsicht in die gesetzten Zwänge, die aus dem Sprichwort spricht, was aber ja nichts ändert, wer wäre schon bescheiden, wenn er nicht müßte?
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Wunderbar amüsiert, meinte Polle 🙂
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Nachtrag: Womit ich meine, dass nicht so selten, auch in einem gesunden Körper, ein kranker Geist sein zu Hause gefunden hat.
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Auch das gibt es!
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Es ist nicht nur interessant, Gerhard, über diese Volksweisheiten nachzudenken, sondern auch, wann und warum wir darüber beginnen nachzudenken. Vielleicht sagt uns das mehr über uns selbst, als der Inhalt dieser Glaubensätze. Neue Sichtweisen dabei gratis inklusiv.
“Nur in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist”. Das Nachdenken über diesen Spruch ist meiner aktuellen körperlichen Verfassung geschuldet mit dem Ergebniss, er stimmt defintiv nicht.
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Das hoffe ich auch irgendwann für mich, daß ich unabhängig von meiner (körperlichen) Verfassung fühlen kann. Mit fast 70 summieren sich schon einige Nicklichkeiten, insofern kommt es darauf an, trotzdem den Kopf oben zu behalten.
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Wie kommt der Spatz in meine Hand? Wohl kaum durch meine Anstrenung oder mein Fuchteln und Machen. Wenn der Spatz aber mir zufliegt, dann liegt es an mir, ihn erst mal zu bemerken, willkommen zu heißen und anzunehmen. Freue ich mich über das, was ich erlebe und habe? Oder bin ich pausenlos damit beschäftigt, mir zu sagen, dies und jenes sollte anders sein? So werde ich wohl nie Freude haben, und auch keine Tauben in meiner Nähe. Dann bleiben die Tauben auf den Dächern meiner Identitätskonstruktionen.
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Eine Taube ist das Bloggen auch. Durch das Bloggen lernte ich, was es heisst, zu veröffentlichen. Es beeinflusste meine Fotografie und das, was ich keramisch tue. Ich weiß nicht, ob ich alll die 1001 Insekten fotografieren würde, wenn ich nicht ein Forum hier dafür hätte.
Andere sagen, daß Bloggen nur virtuell sei und nichts im Vergleich zu echten Freunden.
Ich denke, das ist zu kurz gedacht!
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Ja, mir geht es ähnlich. Das Veröffentlichen ist ein Ansporn. Oder ist es Anregung, weiter in eine Richtung zu gehen? Ich denke auch, es ist zu kurz gedacht, es als nur virtuell abzutun. Für uns Autoren ist es eben auch eine praktische Werkstatt, in der wir vielleicht nicht so viel Zeit verbringen würden, wenn es sie nur im analogen Leben gäbe. Aber sie ist auch Verführung, viel zu viel Lebenszeit im virtuellen Raum zu verbringen – der Taube auf dem Dach nachjagend.
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Ich kenne KünstlerInnen, die haben alle ihre Bilder fein im Kämmerchen und kaum einer sieht sie.
Ich habe auch an realen Ausstellungen (Keramik) teilgenommen und da manchmal gehört: “Brauchen wir noch weitere Vogelscheuchen?”.
Bei Keramik ist das so, daß die das goutieren, die selbst dieses Handwerk kennen. Andere nicht unbedingt.
Dann zeige ich das lieber hier, als den Aufwand zu betreiben, die Sachen in realen Ausstellungen zu zeigen.
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Ganz deiner Meinung, entspricht auch meiner Lebenserfahrung.
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Ja, meine erste Ausstellung meiner Bilder habe ich noch vor mir. Bin bisher nur virtuell in der Öffentlichkeit. Aber bei aller Mühe stelle ich mir das dann doch als eine Steigerung des Sichtbar Werdens vor. Ein nächster Schritt. Bei allen Zweiflern und Unzugänglichen gibt es hoffentlich auch ebenso viele, die sich angesprochen und inspiriert fühlen. Gibt es solche abschätzigen Stimmen nicht auch online?
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Die gibt es natürlich auch online.
Eine reale Ausstellung bedeutet gewöhnlich sehr viel Aufwand. Man muß das wissen. Es kann durchaus sein, daß man ohne jeden Erfolg da rausgeht.
Das muss man wissen.
Manche sagen sich: Ich werde so bekannt. Das stimmt zweifellos.
Aber generell ist es so: Wenn es deine Leidenschaft ist, mache es!
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Hm, tja, kann man das Leben bis zur Neige “auskosten” ? Sicher eine Frage der Definition, wann ist das Leben ausgekostet? Was gehört da alles dazu? Ist es jemals genug? Lohnt es sich dafür wie ein/e Getriebene/r durch sein Leben zu rennen? Ist es wichtig, ob andere meinen, dass man das Leben auskostet oder kommt es auf das eigene Empfinden an?
Sehr interessante Fragen sind das, die durch den Spatzen-Tauben-Spruch noch eine andere Dimension bekommen. Ist es klug sich zu bescheiden mit dem was man hat? Ist das vielleicht gar kein Bescheiden sondern ein Auskosten ? Womöglich ist es die höhere Lebenskunst aus wenig viel zu machen ? und noch viele andere Fragen.
Danke für den interessanten Text, in dem sehr viele Fragen drin stecken, die über einen Blogkommentar hinausgehen. Ich freue mich, dass du meine Anregung aufgenommen und einen langen Text geschrieben hast.
Es hat übrigens eh gepingt, ich war nur nicht online
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Ja, damit ist und war ein Fragenkanon verbunden, den Du und ich angerissen haben.
Ich hätte Lust, nochmal drauf mit einem weiteren Post einzugehen.
Ich hatte zunächst den Link aus Versehen gelöscht und in einem Update nachggeholt gehabt.
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Das ist ja ein so weites, grundlegendes Thema, dass man sicher hunderte Seiten dazu schreiben kann. Nur zu!
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🙂
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Ja, da steckt viel drin! Ich fische mal das genannte Spiel heraus, das ich nicht kenne. Es erinnert mich an den Mafiasatz: das ist ein Angebot, dass du besser nicht ablehnst, denn jedes nachfolgende Angebot wird schlechter sein. Das wiederum erinnert mich an die beiden gerade laufenden Kriege…. Die Taube auf dem Dach würde da aus ukrainischer Sicht bedeuten, alle Gebiete incl Krim sowie Wiedergutmachung zu bekommen, die russische Führung vorm Internationalen Strafgerichtshof zu sehen und den Zerfall der Russischen Föderation zu erleben. Der Spatz: Waffenstillstand, Friedensverhandlungen ä und keine weiteren Gebietsverluste. Nur so als Beispiel.
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Ja, dieses Spiel hat auch theoretisch so manche Variation erfahren.
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Schöne Zusammenfassung der einschlägigen Weisheiten 🙂 Für mich ist die Sache simpel: finde im Leben heraus, was deins ist, und koste es voll aus. Gereimte Weisheiten haben den Nachteil, das alle über einen Kamm geschert werden. Das nützt dann einer bestimmten Klientel (z. B.: Schuster bleib bei deinen Leisten. Das nützt denen, die an wirkmächtiger Position mit ihren Pfründen nicht gestört werden möchten. usw. ) Natürlich lebt ein ganzer Wirtschaftszweig vom Verkünden entsprechender “Weisheiten”, in diesen medial geprägten Zeiten ohnehin. Die wirklich Klugen schweigen und genießen. Das ist jedenfalls mein Eindruck.
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Gereimte Weisheiten haben oft einen Kern, über den sich nachzudenken lohnt.
Über einen Kamm scheren sollte man Menschen ohnehin nicht.
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Wow! Du legst uns so viel Gedankenmaterial aus, dass daraus eine fast endlose Diskussion entstehen könnte. Und alles passt mehr oder minder zum Ausgangssatz.
Für mich bedeutet er, dass man besser dran ist, sich an dem zu erfreuen, was möglich und erreichbar ist, als an dem, was ausser unserer Reichweite (und darum utopisch ist) liegt – oder fliegt.
Einen lieben Gruss,
Brigitte
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Mancher versucht sich an Utopien. Wenn es nicht klappt, dann hat man es wenigstens versucht !
Auch ein schöner Trost.
Erinnere mich an einen Problemschachkomponisten, der viele viele Jahre Jahre ein Rätsel zu lösen suchte, aber nur Halblösungen zuwege brachte. Ein anderer dann drei echte Lösungen in kurzer Zeit.
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Deine kleine Betrachtung mit durchaus persönlichen Erinnerungen schätze ich sehr!
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So etwas macht mir auch Freude , Sonja!
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