Tagesgedanken XXVII

Was das Zeichnen betrifft.

Meiner Mutter wollte ich unbedingt den Frauenkopf zeigen, den ich als Knirps mit einem Stecken in den Sand der Strasse gezeichnet hatte. Er war erstaunlich gut gelungen.

Damit ich bereit war, aufs Gymnasium zu gehen, winkte Mutter mit den besseren Möglichkeiten, was dort Zeichnen und Malen betraf.

Ich war gut im Gymnasium, aber zuhause zeichnete ich kaum. Nur als es darum ging, die Schülerzeitung mit Zeichnungen zu versehen, war ich wieder da.

Als Portraitist oder als Entwerfer von Schriften versuchte ich mich späterhin gelegentlich. Auch als Karrikaturist. Natürlich dies alles nur für mich.

Um die Jahrtausendwende hatte ich eine sehr lange Depression. Ausgerechnet eine Zeichnung eines Frauenkopfes half mir nach 18 Monaten überraschend heraus. Wäre das schiefgegangen, wäre ich vielleicht nicht hier.

Erst in den letzten Jahren nahm ich das Zeichnen wieder ernster. Aber auch hier nicht täglich, sondern ab und an.

12 thoughts on “Tagesgedanken XXVII

    1. Mein Stil ist ja, beim Akt, ganz genau wiederzugeben. Ich hatte diese Art Faible schon bei Portraits.
      Das Wissen, wie sich Muskeln unter der Haut formen, hilft beim Strich aber ganz gehörig. Deshalb liebe ich auch Verkürzungen alle Art, weil sich da neue Formen auftun.

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  1. Ach, sich am Weibe emporzuziehen, emporzuheben oder wie hier, am Frauenkopf, ist so falsch nicht, wenn man der Alten Weisheitslehren anhört. Lasst uns die Alte Nietsches paraphrasieren: wenn du zum Weibe gehst, vergiß den Zeichenstift nicht!

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    1. Frauenköpfe werden ja divers in Zeitschriften angeboten, Männerköpfe eher selten. Eine solche Idealgestalt an Frau portraitierte ich im Dunkel meines Dunklen. Und weil ich es konnte, gut sogar, wuchs die Liebe zu mir wieder.

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      1. Das ist schön (auch wenn ich wünsche, dass Du, dass jeder Mensch sich selbst auch im Mißlingen lieben kann. Und dann vielleicht auch noch den Rest) und sei innig gegönnt. Das Gute daran ist der Zopf. Das Zeichnen, das Tun. Das war Münchhausens Zopf, an dem er sich selbst aus dem Sumpfe zog – tatsächlich ist das, so unmöglich es klingt, das Einzige, was dem Deprimierten bleibt, da all die Hilfestellungen und wohlgemeinten Ratschläge von außen meist nur zu tieferer Niedergeschlagenheit führen.

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        1. Danke!
          In der Tat war die Zeichnung damals die Rettung, der Zopf. Ich hatte mich schon völlig abgeschrieben gehabt, so dunkel war es.
          Tatsächlich gab es damals den RATSCHLAG, es wieder mit dem Zeichnen zu versuchen. Und ich tat es. Und brach den Versuch nicht ab.

          Die Liebe zu mir habe ich nie gelernt. Meine Mutter liebte mich über alles, wieso, weiß ich nicht. Ich war ihr Mädchen, das sie nie bekam. Ich war so unglücklich wie sie.

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          1. Oje. Die arme, schuldige Mama (wie sagt der Doktor Spaß, also der Dr. Hirschhausen? Wenn einer eine Schraube locker hat, liegts an der Mutter!).
            Über das Tun, das Zeichnen, das Formen, auch das Suchen, Finden und Fotografieren, über all diese Geduldsübungen kommt, es wird auch vom Therapeuten empfohlen, der Mensch sich näher. Ohne direkt auf Abwege, also auf’s Nachdenken sich zu verlegen. Außerdem ist es schön, dieses Tun, befriedigend und, nicht zuletzt, haben wir alle was davon!

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            1. Schuldig war meine Mutter nicht. Sie hatte selbst sicher ihr Päckchen, das ich nur z. Teil kannte, wie etwa vom Pfarrer gedemütigt zu werden.

              Nachdenken ist meist Grübeln, das ist der Unterschied.

              Kreativ sein, ist befriedigend, war es schon immer.

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