Die Mutter und der Rabe

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Quelle: Pixabay, bearbeitet von Christiane

Im Jahr 2020 geht es dank Christiane mit den Etüden weiter.
Ich beteilige mich gerne daran, meist mit recht kurzen Texten wie dem folgenden, jetzt 4. Text zum neuen Jahr:

*

Die Mutter kommandierte sie ständig herum. Sie war auf der Hut, nie konnte sie es ihr recht machen.
Selbst ihre Toilettengänge hatte sie im Auge: „Komm endlich raus, Du faules Stück!“.

Der jüngeren Schwester passierte das nie. Sie genoß in allem den Vorzug. Warum und wieso, das blieb immer im Dunkeln.

Die Mutter fuhr gerne in Skiurlaub. Ihre Tochter brachte sie beim Bauern unter, der einen recht mickrigen Hof sein eigen nannte.

Der Mutter tat der Urlaub gut, aber wieder zuhause setzte das alte Lied ein.

Als die Mutter sehr alt wurde und Pflege benötigte, weigerte sich überraschend die jüngere, immer bevorzugte Schwester. Das „faule Stück“ musste also die Pflege übernehmen und tat es vorbildlich.

Eine Aufwertung erhielt sie auch hier nie. Das war nicht drin, das wusste sie.

 

31 thoughts on “Die Mutter und der Rabe

  1. Wenn ich solche Gechichten lese,
    dann weiß ich, daß es doch ganz gut sein kann,
    keine Geschwister zu haben.
    Wie muß sich so eine Tochter fühlen?
    Nie geliebt und doch zum Helfen da…

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      1. Genauso habe ich das gemeint. Die Mutter kann verstorben sein, aber die Tochter hat die Opferrolle verinnerlicht und wird – unbewusst – nach Lebenspartnern suchen, die es ihr ermöglichen diese Rolle auszuleben.

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    1. Du schreibst in deinem Blog heute, dass du findest, dass du zu langsam vorankommt und du beklagt auch das geringe Interesse.
      Zum einen braucht es viel Zeit, um größere Leserschaft zu gewinnen und zum anderen wünschen Leser auch zu kommentieren.
      Ich würde einfach weitermachen und auch dafür sorgen, dass Antwort möglich ist.
      Als Ermutigung gedacht.
      Gerhard

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  2. Es fehlt gar nichts. Es ist, wie es ist, und sie ist nicht die Einzige, der so was passiert. Ich will nicht behaupten, dass alles andere (“pudrig gemahlene Pilze”, feine Idee) nur in Geschichten vorkommt, aber das Leben ist manchmal so.
    Okay, man kann fragen, warum sie sich nie abgesetzt hat, warum sie ihr Leben lang in dieser Rolle verblieben ist.
    Eine unbequeme Geschichte und ganz sicher nicht befriedigend – aber ich denke, das war von dir absolut so gemeint, lieber Gerhard. Danke dafür.
    Liebe Grüße
    Christiane 😀

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  3. Es fehlt das Geheimnis um den Tod der Mutter. Das nicht nachweisbare, langsam, doch beharrlich wirkende Gift im Essen, leicht pudrig gemahlene norwegische Pilze, zart über alle Mahlzeiten gestreut…
    🙂

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