Verletzungen

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Dieser Segelfalter, sonst kaum an meinem Sommerflieder zu finden, hat offensichtlich eine Verletzung.

Wie kommt er damit zurecht?
Für den “Knoten” aus Neuronen in seinem Kopf kein Problem, er integriert bestimmt den Schaden in seine “Körperschau” und passt die Flugleistungen so an, daß gutes Leben weiter möglich ist.

Für uns Menschen ist das aber im Gegensatz zum Falter nicht ohne Weiteres möglich.

Manche Verletzungen heilen nie, sie führen sogar ein “dynamisches” Eigenleben, das es fast unmöglich macht, ihnen zu entrinnen.

Ich war immer daran interessiert, was heilen kann.

Beeindruckt hatte mich da einst ein Bändchen über therapeutische Interventionen durch Menschen, denen man zufällig begegnet und die im Moment spüren, was es bedarf – und die eine Geste zeigen, den einen Satz sagen.

Andererseits beeindruckten mich Menschen, denen viel Leid angetan wurde und die es schafften, sozusagen wie mit einem Kippschalter, das Geschehnis loszulassen und ein Leben weiter zu führen/weiterführen zu können, an dem der Auslöser kaum mehr Anteil hat.
Diesen Kippschalter kann man nicht bewusst drücken. Meist springt er einfach um, wenn der Mensch so weit ist – oder er bleibt eben in der Ausgangsposition.

Von all dem ist der Falter oben nicht berührt.

21 thoughts on “Verletzungen

  1. Very, very interesting, Gerhard. I often wonder about pain and suffering, too, and the different ways we cope. You described the butterfly’s reaction well: integrate the damage and keep moving. No judgement, no worries, nothing extra. It’s not so easy for us humans.

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    1. My wife is much better than me in this, I think.
      But she also had a difficult childhood which works on till today.

      I read about a woman who suffered in a Nazi camp and could suddenly forgive in her eighties. Completely. She avoided unconciously to suffer anymore.

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  2. Interessante Betrachtungen… ich denke, du sprichst in erster Linie von seelischen Verletzungen…
    diesen Kippschalter kann man finden, wenn man die Gedanken wie Wolken ziehen lässt… Ohne Gedanken verwandelt sich Leid in Freude… körperlich ist es dasselbe Gefühl… es ist faszinierend, das zu beobachten… ob es mit körperlichen Verletzungen funktioniert weiß ich nicht. Ich habe zu selten Schmerzen um es auszuprobieren und das ist gut so…

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    1. Interessant.
      Was ist aber, wenn die “Gedanken” schon in den Körper gewandert sind, nicht als chronischer Schmerz, das meine ich nicht, aber tief eingedrungen “ins Gewebe”?!
      Bei Traumen hilft das Weiterziehen ja auch nicht unbedingt.

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      1. das ist dann mit “Arbeit” und viel Geduld verbunden. Wenn mich etwas wirklich belastet, nehme ich das aber in Kauf. In Meditation fühle ich, frei von Gedanken, in meinen Körper hinein und spüre auf, wo sich das Geschehen im Körper manifestiert hat. Dann lenke ich ganz sanft meinen Atem genau dorthin und beobachte wie sich alles weitet und auflöst…
        Traumata sind ein Kapitel für sich, womit ich mich nicht auskenne. Ich denke z.B. , dass meiner “Esssucht” ein Trauma zu Grunde liegt, an das ich emotional aber nicht rankomme. Ich kenne es nur aus Erzählung: bin drei Wochen zu früh geboren und habe eine Mutter, die sich streng an die Regeln hielt: alle vier Stunden stillen, nachts nicht. Weil ich nachts auch was wollte, schrie ich und weil meine Eltern schlafen wollten und auch mussten, um die tägliche Arbeit zu bewältigen, transportierten sie mein Körbchen nach unten ins Wohnzimmer. Normalerweise geben Kinder bei solchen Aktionen spätestens nach einer Woche auf. Bei mir dauerte es wohl drei Monate. Und wenn ich dann endlich was bekam, pumpte ich mich innerhalb von Minuten voll, bis ich überlief. Emotional komme ich wie gesagt an dieses Erleben nicht ran. Aber die Auswirkung davon, meine Suchttendenzen, kann ich sehr genau beobachten, aushalten, in sie hinein entspannen und auf diese Weise transformieren…
        Das war jetzt ein bisschen sehr persönlich…

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        1. Wieso “persönlich?!”
          Ich schätze das sehr!
          “Bei mir dauerte es wohl drei Monate”
          Ja, bezeichnend wohl. Da war deine Mutter als Reaktion bestimmt extrastreng.

          Jedenfalls spannend, wie Du – mit Dir – umgehst.

          Suchttendenzen kenne ich ja auch zuhauf.

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        2. Ich hätte meine Kinder nachts nie schreien lassen.
          Einem Baby, das schreit, fehlt etwas und als Mutter sollte ich nachsehen, was meinem Kleinen fehlt.
          Oft fehlt in diesen Nachtstunden nichts als Liebe…
          Durch eine räumliche Trennung wird keine fehlende Liebe aufgefüllt.
          Abgeschoben… und niemand da, der tröstet und lieb drückt. Vermutlich fehlt dann lebenslang etwas. *seufz*

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          1. ich denke, wir sind so in etwa aus derselben Generation. Meine beiden Töchter hätte ich auch nie schreien lassen und ganz bestimmt nicht in einen Raum gestellt, wo ich sie nicht hören kann. Aber meine Mama war wohl noch “zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl” geprägt. Sie hatte ihre Vorstellungen im Kopf und dachte, es wäre richtig so. Später sah sie das dann auch anders. Auf andere Art habe ich wahrscheinlich genauso viel falsch gemacht wie sie. Es ist wohl Elternlos, Schuld auf sich zu laden…

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            1. Ja, wir sind in etwa gleichen Alters. 🙂

              Die Mutter meiner Frau war jähzornig hoch drei, da war das arme Männchen an ihrer Seite , ein leidender Kriegsheimkehrer, wehrlos.
              Doch der Vater dieser Frau war ein Lebemann und jähzornig auch.
              Solche Geschichten könnte man endlos erzählen.

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