Noch

Quelle: Pixabay,, bearbeitet von Christiane

Im Jahr 2020 geht es dank Christiane mit den Etüden weiter.
Die Wortspende stammt diesmal von Corlys Lesewelt.
Ich beteilige mich gerne an dem Projekt, nun schon in der 5. Etüden-Ausgabe des Jahres.

*

Schnapper nannten wir Jungen ihn frech.
Oft kam der gehbehinderte alte Mann kurz vor Sonnenuntergang ins Lokal, um Automat zu spielen. Zudem war es in der Wirtsstube warm.

Meist aber waren wir Jungs schon da und versuchten verzweifelt, den Geldautomat auszutricksen.
Der Alte musste sich derweil gedulden, saß zwei Tische hintenan und wartete.

Wir wollten den Mann etwas ärgern: Wir taten so, als würden wir gerade gewinnen. Stattdessen liesen wir nur unser eingeworfenes Geld heraus, die Münzen flogen nur so. Einen Freudestanz vollführten wir dazu.
Der alte Mann wurde ganz unruhig, weil Geldausschüttung bedeutete, daß der nächste Spieler kaum mehr etwas gewinnen würde.
Er bezahlte daher und ging.

Diese Geschichte kommt mir immer wieder mal in den Sinn, werde ich doch jetzt selbst alt. Noch habe ich kein derartiges Leiden wie der alte Geldautomatenspieler.
Und bin auch nicht einsam! Habe also andere Möglichkeiten noch.

Noch.

22 thoughts on “Noch

  1. Heute ist offenbar ein Tag der Erinnerungsminiaturen.
    Deine kleine Geschichte wirkt auf mich zu einem gewissen Grad vertraut, denn auch in meiner Kindheit war es noch selbstverständlich, dass Kinder sich auch ohne Erwachsenenbegleitung in Gaststätten aufhalten konnten, um sich ein Eis zu kaufen, auf den Bus zu warten oder eben an den Automaten herumzuspielen, soweit das Taschengeld das überhaupt möglich machte.
    Das Unverständnis für die Schwäche von Erwachsenen konnte in den unbegleiteten Momenten uneingeschränkt wuchern. Es wurde wenig erklärt, damals, nicht wahr?
    Und wie doch viele Erwachsene trotzdem schwärmen von den Zeiten, wo man nur die Tür aufmachte, die Kinder zum Spielen hinausschickte bis zur Dämmerung, und deren soziales Lernen der Strasse und der Willkür überliessen, als ob dabei immer etwas Gutes herausgekommen wäre.
    Leider kehren diese Zeiten der sowohl praktisch als auch mental unbegleiteten Kinder wieder zurück, nur in komplizierteren Umgebungen als lediglich einer Dorfgaststätte.

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    1. Du hast recht, in einem Dorf von damals machte man sich kaum Gedanken um die Kinder. Was konnte schon da draussen passieren?!?! Was denn?
      Heutzutage ist man wohl schlauer, glaubt seinem Kind (gegebenenfalls).
      Und wiederum hast Du recht, daß man heutzutage noch weniger um die Einflüsse da draussen weiß.

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  2. Halbstarke nannte man das damals, diese jungen Bengel, die versuchten, andere leute ein wenig auf die Schippe zu nehmen. Es waren ja keine wirklich bösen Absichten dahinter, man wollte sich ja nur auf harmlose Art und Weise “etwas beweisen”. Ist vielleicht bei Jungen etwas ausgeprägter als bei Mädels?

    Schön geschrieben, jedenfalls.

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    1. Oh danke Werner!

      Bös war da eigentlich nichts. Da stimme ich zu.
      Daß der alte Mann so versessen aufs Automatenspielen war, wirkt aus der Sicht eines Kleinen schon merkwürdig.

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  3. Auch im Alter haben wir die Wahl und können ein sozial aktives Leben leben, wenn wir nicht durch Krankheiten ans Haus gefesselt sind! Auch können wir offen für die Jugend und die Kinder bleiben, alles eine Sache der eigenen Offenheit versus Altersstarrsinn.

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    1. Selbstverständlich!
      Wenn wir es denn KÖNNEN.
      Doch was weiß ich, wer ich in 10, 15, 20 Jahren sein werde? Das hängt doch von vielen Faktoren ab.
      Bleibt alles wie gehabt, stelle ich mich schon als offenen Alten vor 🙂

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  4. Klar, Kinder lieben es, Erwachsene derartig und sowieso auszutricksen! Man sieht die kleinen Kerls regelrecht vor Vergnügen hüpfen! Und den alten Mann wenig hüpfend sich entfernen…

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  5. Ja, mit dem Alter kommen oft Erinnerungen, und dann fragt man sich, wie man denn damals drauf war oder warum man damals so und nicht anders reagiert hat. Das kenne ich auch 😏
    Liebe Grüße, danke für deine Erinnerungen
    Christiane 😁☕🥐👍🌞

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